Kulturwissenschaft im Kulturkampf: Genealogie und Grammatik der Eskalation

Tagung, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2.-3. Februar 2024

Der Begriff des Kulturkampfs hat Konjunktur. Jedenfalls ist er in etlichen Auseindersetzungen schnell bei der Hand: von der öffentlichen Empörung über die militante Aktionen der sogenannten Letzten Generation über polemische Verdammungen von Wokeness bis zu soziologischen Diagnosen über die Spaltung der Gesellschaft in verschiedene Gruppen, die keinen gemeinsamen Nenner mehr fänden, womöglich sogar überhaupt keine gemeinsame Wirklichkeit mehr teilten — und sich insofern genaugenommen gar nicht mehr ,vernünftig‘ miteinander streiten könnten. Ob die Rede von Kulturkämpfen angemessen ist oder ob damit nicht zu hoch gegriffen wird, nicht zuletzt um Aufmerksamkeit zu generieren, ist selbst strittig. Aber schon diese Uneinigkeit, dieser Streit stellt eine Herausforderungen für die Kulturwissenschaften dar: Was bedeutet es für sie, wenn ihr Gegenstand zum Streitobjekt wird? Und was kann sie selbst beitragen, um diesen Streit besser zu verstehen? „Kulturwissenschaft im Kulturkampf: Genealogie und Grammatik der Eskalation“ weiterlesen

Workshop: Die Predigt der Aufklärung

„Wahre allgemeine Schule der Menschheit“ oder „Auslegung des Kirchenglaubens“?

11.-12. Mai 2023 IZEA

Organisation und Leitung: Prof. Dr. Ruth Conrad (HU Berlin), Hanna Miethner (HU Berlin) und Prof. Dr. Daniel Weidner (MLU Halle-Wittenberg)

Die Aufklärung zielt auf Verbreitung von Wissen, auf Erzeugung einer Öffentlichkeit sowie auf die Erziehung des oder der Einzelnen zur Mündigkeit. Neben den klassischen Medien einer solchen Öffentlichkeit wie Zeitschriften und Salons haben auch Predigten für dieses Programm eine zentrale Rolle gespielt: Insbesondere die Volksaufklärung entdeckt die Predigt als wichtiges Medium zur Verbreitung von Wissen aller Art und zur Einübung eines neuen Verständnisses von „Popularität“. Zugleich profilieren manche Aufklärer die Predigt aber auch als traditionelle, hierarchische und heteronome Form der Kommunikation, von der sich die neue Epoche gerade absetzen will. Dieses Wechselspiel von Benutzen, Beerben und Ersetzen der Formen der Predigt – vielleicht insgesamt charakteristisch für das Verhältnis der Aufklärung zur Religion – steht im Zentrum des Workshops, der die Vielfalt aufklärerischen Predigens aus bewusst interdisziplinärerer Perspektive – Homiletik, Kirchengeschichte, Aufklärungsforschung, Literaturwissenschaft, Medien-, Wissens- und Diskursgeschichte – diskutieren will.

Halle Lectures 2023: Philipp Sarasin

Ist die Aufklärung am Ende? Nicht ganz
Reihentitel: Wissen – Macht – Aufklärung

Datum: 24. Mai 2023, Beginn: 18 Uhr
Prof. Dr. Philipp Sarasin (Zürich)

Die Aufklärung ist rund 250 Jahre alt geworden – und die Kritik an ihr, die anfänglich vor allem christlicher oder offen reaktionärer Natur war, fast ebenso. Im 20. Jahrhundert und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg weitete sich diese Kritik auch auf der linken Seite des politischen Spektrums beträchtlich aus, bis hin zur feministischen und postkolonialen Dekonstruktion der Aufklärung als Chiffre westlicher, weißer und männlicher Macht.

„ … der hat auch Religion“ Konfession – Literatur – Kulturelle Differenz im langen 19. Jahrhundert

Tagung, 18.-19.4. 2024
Organisiert von Friedemann Stengel und Daniel Weidner

Die neuere deutsche Literaturwissenschaft ist in weiten Teilen überraschend konfessionsblind. Während für die Erforschung der Literatur der Frühen Neuzeit die „Konfessionalisierung“ ein wichtiges, wenn nicht das dominante Paradigma ist und in der benachbarten Geschichtswissenschaft die These vom 19. Jahrhundert als einem „zweiten konfessionellen Zeitalter“ für lebhafte Diskussionen gesorgt hat, fristet die Konfession in der Erforschung deutschsprachigen Literatur nach der Aufklärung eher ein Schattendasein. Neben anderen Gründen könnte das, so unsere Vermutung, auch an einem Theoriedefizit der Forschung liegen, die ‚Konfession‘ allenfalls mehr oder weniger verschämt als Kriterium der Sortierung von AutorInnen verwendet bzw. in Einzelstudien deren konfessionelle ‚Prägung‘ untersucht. Ziel des Workshops ist es vor allem, ein anderes Verständnis von Konfession zu erproben und zu diskutieren: Konfession funktioniert im 19. Jahrhundert als kulturelle Differenz, die nicht nur kirchlichen Zusammenhängen, sondern auch und gerade in den Texten der Literatur verhandelt wird.

In Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung und der Abteilung für Komparatistik der MLU Halle-Wittenberg

Ort: Franckesche Stiftungen, Haus 52, Neubauer-Saal.

Programm

Donnerstag 18.4.
13:30-16:00

Friedemann Stengel, Daniel Weidner:
Einführung

Martina Wagner-Egelhaaf (Münster)
(Von) Kirchen erzählen. Zu Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Ute Gause (Bochum)
Ein Blatt auf Vroni’s Grab. Reformierte Frömmigkeit in Johanna Spyris Erzählungen

Kaffeepause

16:30-18:30

Nicolas Detering (Bern)
Fabiola und die Folgen: Katakombenroman und konfessionelle Subjektivierung

Claudia Kampmann (Bonn)
Konfessionelle Differenz in der bürgerlichen Frauenbewegung. Eine Fallstudie mit besonderer Berücksichtigung der konfessionellen Frauenverbände

Freitag 19.4.
9-11

Wiebke Windorf (Halle)
Religiöse deutsche Plastik um 1800: Sakralisierung, Säkularisierung und Differenzierungsstrategien eines vernachlässigten Genres

Thomas Pittrof (Eichstätt)
Konfessionalisierung, Entkonfessionalisierung, Rekonfessionalisierung? Musikalisierung des Religiösen außerhalb des Kirchenraums im 19. Jh.

Kaffepause

11:30-13:30

Andrea Polaschegg (Bonn)
Die konfessionelle Nullstelle. Protestantische Literatur(wissenschaft) als deutscher Normalfall

Yvonne Al-Taie (Kiel)
Der Heilige Franziskus im Bordell. Katholische Interpretamente vulnerabler Lebensvollzüge bei Emmy Hennings.

Mittagsimbiss