Workshop Sephardische Aufklärung

16.-18. September 2024

Workshop des BMBF-Projekts „Sephardische Aufklärung im nordafrikanischen und levantinischen Kontext des sich modernisierenden Islam“

Local Knowledge Production and Translocal Connectedness – Sephardic Entanglements of Movement and Space

The biographies of Jews under Muslim rule have often been characterized by great -voluntary or involuntary – mobility. This dispersal facilitated the exchange of ideas, languages, and cultural practices, contributing to the rich tapestry of Jewish history and the development of distinct Jewish communities in various locations. This Jewish significance of place was aptly investigated by methods typically associated with the spatial turn in particular in the last two decades. As such space was not utilized as a container of traditions but construed as a local activity of people, goods, institutions or concepts and symbols which produce social order beyond the discursive plain (Lefebvre 1974).

But what has not yet received sufficient attention in research are the unforseen effects that border-crossings – cultural, geographical, political – have on the traveler’s making sense of the respectively local order of things on a variety of levels: hermeneutics, institutions, values, symbols, ideas etc. As a result of this creative tension or conflict between what they bring in and what they encounter on site their understanding of whole books can undergo fundamental transformations – occasionally abrupt and even downright illogical (e.g. from
today’s perspective). After the arrival of the Sephardim from Spain in North Africa, for example, they felt obliged to write substantial additions to the books of their own Sephardic Halakhah („taqanot megurshei kastilia be-fez“) – additions which were ultimately codified as a product of their new environment as well. We suggest that these dynamics which are highly characteristic for the transregional history of the Jews in the mediterranean – in the Middle Ages no less than in the period from the 17th to the 20th century – can be effectively
tracked down by the method of translocality (Freitag 2019).

This awareness and focus on local dynamics between both transgression and some kind of local order enables historiography to free itself from eurocentric, monolithic concepts such as „culture“, „tradition“, „enlightenment“, „secularization“, „pre-modernity“ or „modernity“ which become dispensable in favor of more fluid models of cultural encounter. The north-south historiography is replaced by a south-south historiography. Furthermore
the translocal approach might account for a differentiation between different perspectives of the actors – local people, migrants or observers. Last but not least, this method is characterized by a sociological and economical sensitivity. Thus the methodological multiperspectivity of translocality is still able to view or account for locality as socioculturally „produced“.

The workshop wants to engaging presentations steered in the direction of a collective conversation providing initial answers to the following questions: What is the relationship between real and imagined places, such as „al-Andalus“ or „Babylon“? How can observers‘ and actors‘ perspectives on the same phenomena be equally included in research? How can different scales of consideration be linked together? How can different disciplinary definitions of a concept (e.g. network) be combined with each other? How exactly does a locally predefined concept (e.g. Nahda) interfere with the local order as soon as it migrates? etc. etc.

Das Gedächtnis der Pluralität. Till van Rahdens „Vielheit“ in der Diskussion

Workshop
27. und 28.6.2024, IZEA
organisiert von Stephan Braese (RWTH Aachen), Ottfried Fraisse und Daniel Weidner

Die aktuellen Diskussionen über Diversität und Pluralität ebenso wie die Diskussionen um Mehrheitsgesellschaft, Integration und Leitkultur haben eine Vorgeschichte, die zu untersuchen aktuell vielleicht nötiger ist denn je. Dabei ist es im langen 19. Jahrhundert gerade und vor allem die Geschichte der Juden in Deutschland, an der sich die semantischen Zwänge solcher Konzepte ebenso zeigen wie die Potentiale, alternativ und anders über die Heterogenität moderner Gesellschaft nachzudenken. Der Workshop nimmt Till van Rahdens Buch Vielheit. Jüdische Geschichte und die Ambivalenzen des Universalismus von 2023 zum Anlass, um diese Geschichte und ihre Implikationen zu diskutieren.

In der Tat lagen die Perspektiven deutscher Jüdinnen und Juden oft quer zu Konzepten wie Pluralität, Identität oder Universalität. Ihr Gedächtnis vermag Potentiale zu erschließen, die nicht immer auf einem sich ausschließendes Verhältnis dieser Kategorien beruhen. Ihre Biographien und ihr Werk vermögen, die Verflechtung von Universalismus und Identität zu veranschaulichen, und richten den Blick nicht zuletzt auf eine dringend angezeigte Weiterentwicklung des Projekts der Aufklärung, Wie kann es viele Universalismen geben, ohne den Begriff des Universalen zu untergraben? Wie lassen sich Identitäten stärken, ohne einem Zusammenleben auf Kosten universaler Ansprüche das Wort zu reden?

Van Rahdens Buch zeichnet die Entwicklung von einer konkreteren Sprache der Vielheit zu einer hoch abstrakten Rede von der Vielfalt nach, in deren Rahmen sich auch vermeintlich entlegene Debatten wie die über die bürgerliche Gesellschaft oder auf den ersten Blick harmlose Begriffspaare wie die von Mehrheit und Minderheit verstehen lassen. Die Auseinandersetzung mit dieser Geschichte macht deutlich, wie der Nationalismus, aber auch das demokratische Prinzip der Gleichheit neue politische und soziale Semantiken erzeugt, die ihrerseits heterogen und veränderlich sind. Sie stößt auf komplexe Diskussionen etwa über die Assimilation sowie auf heute vergessene Alternativen wie die Rede von der Mannigfaltigkeit oder von Stämmen. Und sie stellt Fragen, die der Workshop diskutieren will: Inwiefern lassen sich jüngere Theorien kultureller Differenz in diesen Rahmen eintragen? Was sind die Chancen und Grenzen einer Begriffsgeschichte solcher Sprachen? Lässt sich so etwas wie ein horizontaler oder lateraler Universalismus denken?

13:30-15:30
Daniel Weidner (Halle): Universalität, Differenz, Diversität, Hybridität … Vielheit theoretisieren
Jakob Ole Lenz (Halle): Liberaler Jude und preußischer Patriot. Saul Aschers publizistischer Kampf gegen den Anti-Universalismus der Deutschheit

16:00-18:00
Stephan Braese (Aachen): „Einem jeden seine eigenen Gesichtszüge“. Zu Mendelssohns Sprache der Vielheit in „Jerusalem“
Rahel Stennes (Basel): Wer gehört zur bürgerlichen Gesellschaft und wer nicht? Die Rolle der Jüdin und der Zigeunerin in Berthold Auerbachs  „vaterländischem“ Familienroman Waldfried

18:15-19:45
Abendvortrag: Till van Rahden (Montreal):
„Deutsche jüdischen Stammes“. Gemeinschaftsvorstellungen zwischen Nationalismus und Partikularismus von 1850 bis 1933

9:00-11:00
Ottfried Fraisse (Halle): Wissenschaft des Judentums als Assimilation und Widerstand. Jüdische Orientalisten im Umgang mit „Religion“ und „Geschichte“
Tom Vanassche (Aachen) Nach Habsburg. Vielheit in Joseph Roths Reisereportagen

11:30-13:00
Vielheit lesen: Roundtable mit Respondenzen von Nicolas Berg (Leipzig), Élisabeth Décultot (Halle) und Theo Jung (Halle)
13:00
Mittagsimbiss und Abschluss der Tagung

Workshop: Philologie und Aufklärung. Wechselwirkungen, Transformationen, Verschränkungen

29.2. bis 1.3.2024

Workshop zum DFG-Projekt „Genealogie der Philologie. Zur formativen Phase der Klassischen, Biblischen und Neueren Philologie (1777-1818)“.

Organisation: Dr. des. Na Schädlich und Prof. Dr. Daniel Weidner

Ort: Christian-Thomasius-Zimmer

Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA)

MLU Halle-Wittenberg, Franckeplatz 1, Haus 54, 06110 Halle (Saale)

Programm und Exposé

Kontakt: na.schaedlich(at)izea.uni-halle.de

Veranstaltung „Künstliche Intelligenz und das Ende des Menschen?“

Podiumsdiskussion mit Mille Dalsgaard, Dirk Evers, Manuela Lenzen und Janina Loh
Neues Theater, Halle, 18. Januar 2024, 19:30 Uhr

Die aktuelle Debatte über Künstliche Intelligenz bewegt sich zwischen Euphorie und apokalyptischen Sorgen. Bedeutet K.I. die Befreiung des Menschen von allen lästigen Arbeiten oder aber den Beginn einer Herrschaft seelenloser Maschinen und ein Ende des Menschen? Wie ändert sich unsere Sicht auf den Menschen, wenn sich lernende Algorithmen an seine Seite stellen, die mindestens so informiert, klug, kreativ, ja intelligent zu sein scheinen, wie wir? Die Podiumsdiskussion bringt verschiedene Stimmen aus Kultur und Wissenschaft miteinander ins Gespräch, um eine schärfere Sicht auf eine neue Ko-Existenz von Mensch und Maschine zu entfalten.

Die Veranstaltung wird durchgeführt als Kooperation zwischen dem Landesforschungsschwerpunkt Aufklärung – Religion – Wissen, der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt und dem Neuen Theater Halle. Sie findet statt im Rahmen des Förderprogramms Transformationslabor Hochschule des Stifterverbands der deutschen Wissenschaft e.V. und ist Teil einer Reihe von Veranstaltungen zum Thema „Imaginationen der Zukunft“, die die Stadt Halle und der Landesforschungsschwerpunkt gemeinsam organisieren.

Vortragsreihe, WS 2023/24: Licht auf die Worte. Philologien der Aufklärung aus internationaler Perspektive

Die Erzählung von der großen Errungenschaft der ›modernen Philologie‹ hat eine reiche Tradition im deutschsprachigen Raum. Ihre Kontinuität seit der Spätaufklärung bis heute verdankt sich letztlich der relativ stabilen Gestaltung der intellektuellen Öffentlichkeit und der Bildungspolitik in deutschsprachigen Gebieten. Doch wie wird die ›moderne Philologie‹ in der internationalen Rezeption wahrgenommen? Und überhaupt: Worauf referierte und referiert der Begriff ›moderne Philologie‹ in anderen Sprachräumen?

VORTRAGSREIHE DES IZEA im Wintersemester 2023/24 in Kooperation mit dem DFG-Projekt „Genealogie der Philologie“

Programm

Politische Theologie

Forum „Literatur und Religion“ für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

27.-28. Juli 2023

Das dritte Treffen des Forschungsforums »Literatur und Religion« für Nachwuchswissenschaftler:innen an der Universität Halle widmet sich dem Thema Politische Theologie. Lange ein Spezialgebiet der Mediävistik oder der Geschichte der Gegenaufklärung ist politische Theologie in den letzten Jahrzehnten zu einem zentralen Diskurs in den Geistes- und Kulturwissenschaften geworden. Sie verhandelt die grundlegende Annahmen über das Verhältnis von politischer Legitimität und normativer Ordnung und untersucht dabei auch das Fort- und Nachwirken religiöser Denkfiguren, Diskurse und Praktiken. Literatur ist dabei nicht nur ein, wenn nicht der zentrale Echoraum religiöser Sinngebungen und Autorisierungen, sondern darüber hinaus auch ganz konkret der Ort, an dem Theologie und Politik, Heil und Herrschaft aufeinanderstoßen und immer wieder neu konfiguriert werden müssen. Dazu gehören nicht nur Herrschaftsmythen, sondern auch Opferlegenden, Erlösungsbilder, Figuren der Stellvertretung, Imaginarien der Gemeinschaft. Im Workshop lesen die Teilnehmenden gemeinsam einige Grundlagentexte zur Politischen Theologie und diskutieren ihre Forschungsprojekte mit Bezug auf das Spannungsfeld.

Literatur im Widerstreit. Öffentlichkeit und literarische Intervention, damals und heute

Ein Gespräch mit Jürgen Brokoff, Freie Universität Berlin, Literaturhaus Halle, 25. Oktober 2023, 19 Uhr

Provokation und öffentliche Intervention zählten lange Zeit zu den genuinen Möglichkeiten der Literatur, von Charles Baudelaire bis Emile Zola, von Heinrich Böll zu Elfriede Jelinek. Wie steht es heute damit? Inwiefern ist Provokation weiterhin ein Mittel der Literatur? Inwiefern empfangen öffentliche Debatten ihre Anstöße auch heute noch durch literarische Werke? Wie viele öffentliche Interventionen oder Provokationen gab es in den letzten Jahren von Seiten der Autoren und Autorinnen der Gegenwart?

Anhand zweier prominenter Fälle – dem deutsch-deutschen Literaturstreit um Christa Wolfs Erzählung „Was bleibt“ und der Debatte um Botho Strauß’ Essay „Anschwellender Bocksgesang“ – untersucht der Literaturwissenschaftler Jürgen Brokoff die Infragestellung der Autorität literarischer Autorschaft und den Wandel der literarischen Öffentlichkeit. Im Gespräch mit Studierenden und Lehrenden der MLU stellt der Autor die Thesen seines Buchs Literaturstreit und Bocksgesang (Wallstein 2021) im Literaturhaus Halle vor und reflektiert auf das Verhältnis von Literatur und Öffentlichkeit unter den gewandelten medialen Bedingungen unserer Gegenwart. Diese haben den Raum öffentlicher Debatten zwar signifikant geöffnet und erweitert, die darin geführten Auseinandersetzungen aber zugleich radikal verschärft.

Jürgen Brokoff: Studium der Germanistik und Geschichte in Münster und Bonn. Seit 2014 Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin. Gastprofessuren in Irvine, Yale, Cornell. Zahlreiche Publikationen, darunter Geschichte der reinen Poesie. Von der Weimarer Klassik bis zur historischen Avantgarde sowie Engagement. Konzepte von Gegenwart und Gegenwartsliteratur (hg. zusammen mit Ursula Geitner und Kerstin Stüssel). Seit 2022 Sprecher des SFB 1512 „Intervenierende Künste“.

Tagung: Jenseits der Kritik?

Schmähpraktiken in der Aufklärung, Schmähpraktiken von Aufklärern

29.06. – 01.07.2023

Tagung im Neubauer-Saal der Franckeschen Stiftungen (Franckeplatz 1, Haus 52), in Kooperation mit der TU Dresden und der MLU Halle-Wittenberg (ARW und IZEA)

Versteht man die Aufklärung als „Zeitalter der Philosophie“, so verbindet man mit ihr insbesondere sachbezogene Kritik und vernünftiges Räsonnement. Der Streit um die Wahrheit wird positiv abgehoben von persönlichen Angriffen und Schmähungen, letztere spielen in der Aufklärungsforschung eine eher untergeordnete Rolle. Inwiefern ändert sich unser Bild vom Zeitalter der Philosophie, wenn sich die Aufklärungsforschung weniger den kritischen Sach- und Werturteilen der Aufklärer zuwendet, sondern stattdessen diejenigen Angriffe der Aufklärer in den Blick nimmt, die gegen Personen gerichtet waren und auf deren Diffamierung, Ausgrenzung, Bloßstellung abzielten? Auf der Tagung wird dieses Thema in insgesamt fünfzehn Beiträgen interdisziplinär in den Blick genommen.

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Kulturwissenschaft im Kulturkampf: Genealogie und Grammatik der Eskalation

Tagung, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2.-3. Februar 2024

Der Begriff des Kulturkampfs hat Konjunktur. Jedenfalls ist er in etlichen Auseindersetzungen schnell bei der Hand: von der öffentlichen Empörung über die militante Aktionen der sogenannten Letzten Generation über polemische Verdammungen von Wokeness bis zu soziologischen Diagnosen über die Spaltung der Gesellschaft in verschiedene Gruppen, die keinen gemeinsamen Nenner mehr fänden, womöglich sogar überhaupt keine gemeinsame Wirklichkeit mehr teilten — und sich insofern genaugenommen gar nicht mehr ,vernünftig‘ miteinander streiten könnten. Ob die Rede von Kulturkämpfen angemessen ist oder ob damit nicht zu hoch gegriffen wird, nicht zuletzt um Aufmerksamkeit zu generieren, ist selbst strittig. Aber schon diese Uneinigkeit, dieser Streit stellt eine Herausforderungen für die Kulturwissenschaften dar: Was bedeutet es für sie, wenn ihr Gegenstand zum Streitobjekt wird? Und was kann sie selbst beitragen, um diesen Streit besser zu verstehen? „Kulturwissenschaft im Kulturkampf: Genealogie und Grammatik der Eskalation“ weiterlesen