„Organ der Neuen Zeit“. Die Hallischen Jahrbücher (1838-1844) und die Revolution der Kritik

Workshop, 16.-17.4. 2026, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Organisiert von Daniel Cyranka, Florian Scherübl, Friedemann Stengel und Daniel Weidner

Kaum irgendwo manifestiert sich der „revolutionäre Bruch im Denken des neunzehnten Jahrhunderts“ (Karl Löwith) so deutlich, wie in von 1838 bis 1843 erscheinenden „Hallischen Jahrbüchern“. Die von Theodor Echtermeyer und Arnold Ruge herausgebende Zeitschrift war nicht nur das Forum des sich radikalisierenden Linkshegelianismus, sondern machte auch selbst einen radikalen Wandel durch. Zunächst gegründet als literarisch-universitäres Medium für – so der Untertitel – „Kritiken, Charakteristiken und Übersichten“ entwickelt sich die Zeitschrift schnell zum Sprachrohr von immer radikaleren und immer lauteren Forderungen nach einer Veränderung der Verhältnisse. Über die Grenzen von Philosophie, Theologie, Politik und Publizistik hinweg etabliert sich eine neue Form von publizistischer Kritik und ein neuer Typ des Autors: Aus dem „Priester des Absoluten“, dem verbeamteten Staatsphilosophen, wird der – und die [!] – freischwebende Intellektuelle, aus der philosophischen Theorie die politische und schließlich revolutionäre Praxis, aus dem wissenschaftlichen Jahrbuch das Organ einer Gegenöffentlichkeit und der „Kritik“ in einem Sinn, der wohl kaum je so emphatisch gedacht und verkündet wurde wie hier. Der Workshop nimmt die Jahrbücher zum Anlass, die besondere Dynamik dieses Schreibens an Fallstudien zu untersuchen und dabei insbesondere auch das spezifische Medium der Zeitschrift ernst zu nehmen.

Multiple Secularities in der Diskussion.

Präsentation und Diskussion
Gäste: Christoph Kleine, Monika Wohlrab-Sahr (beide Universität Leipzig)
30.10.2026, 14:00-17:30
Seminarrraum des IZP, Franckesche Stiftungen, Haus 24 

Die Kollegforschergruppe „Multiple Secularities – Beyond the West, Beyond Modernities“ hat von 2016 bis 2024 untersucht, sie in verschiedenen Kontexten und Regionen auf verschiedene Weise das Verhältnis von religiösen und nicht-Religiösen Praktiken, sophialen Sphären, interpretativen RAhmen, Institutionen und Diskursen jeweils anders und spezifisch gezogen werden: Wie verschiedene „Säkularitäten“ erzeugt werden, deren Untersuchung zeigt, dass „Säkularisierung“ keineswegs ein Kennzeichen des „WEstens“ oder der „Moderne“ ist und dass sie erst in der Vielzahl ihrer Formen verstanden werden kann. Die Ergebnisse dieser Foschungen sind jetzt in „Global Secularity. A Sourcebook“ erschienen. Zwei der HerausgeberInnen stellen den Band vor und diskutieren die Relevanz und Anschlussfähigkeit der Ergebnisse mit uns.

14:00-15:30
Vorstellung des Buches durch Christoph Kleine und Monika Wohlrab-Sahr

15:30
Kaffepause

16:00-17:30
Respondenzen: Säkualrisierung als Nicht-Religion (Daniel Cyranka),
Säkularisierung als Figur und Erzählung (Daniel Weidner)

Ausschreibung Forschungsstipendium ‚Zukunftsorte‘ (Bewerbungsschluss 18.8.)

Der geistes- und kulturwissenschaftliche Forschungsschwerpunkt Aufklärung – Religion – Wissen (ARW), der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angesiedelt ist, schreibt zum 1.10.2024 ein einjähriges Forschungsstipendium für Postdocs zum Thema ‚Zukunftsorte‘ aus.

Der Forschungsschwerpunkt widmet sich der historischen Aufklärung und ihrem Fort- und Nachleben in der Gegenwart, deren Selbstverständnis durch eine Vielzahl von Vorstellungen und Begriffen geprägt ist, die auf die Aufklärung zurückgehen. Dazu gehören auch „Imaginationen der Zukunft“: Wir fragen hier nach den Bedingungen, unter denen Vorstellungen, Erzählungen und Bilder der Zukunft (ent)stehen und wirken. Eine Reihe von Veranstaltungen unterschiedlicher Formate zielen darauf ab, Zukunft erneut als Möglichkeitsraum gemeinsamen gesellschaftlichen Handelns zu eröffnen. In diesem Zusammenhang steht auch das hier ausgeschriebene Stipendium.

‚Zukunftsorte‘ verstehen sich in Anlehnung an Pierre Noras Konzept der Erinnerungsorte, das sowohl konkrete, traditionsbildende Orte umfasst wie auch bestimmte Topoi und moderne Mythen, aus denen sich das kollektive Erinnern speist und an denen es immer wieder neu entsteht. Dementsprechend sind ,Zukunftsorte‘ diejenigen Stellen in der Wirklichkeit, in der Zukunft imaginiert und verhandelt wird. Denn Zukunft ist ja nicht einfach gegeben, sondern wird permanent hergestellt, verhandelt, neu austariert in Appellen und Prognosen, in Wünschen und Ängsten, mit Bildern und Handlungen. Aktuelle und vergangene Zukünfte konkretisieren sich an Orten: an Plätzen, Projekten, Aktionen, an Namen und Ideen, Versprechen und Vorhersagen. Manchmal sind es Orte, die von vornherein emphatisch Zukunft entwerfen, die das Morgen schon hier und heute vorwegnehmen, die Heilserwartungen inszenieren oder Schrecken an die Wand werfen. Manchmal wächst solchen Orten ihre Zukunft erst im Nachhinein zu, und erst im Rückblick erkennen wir in ihnen den Anfang des Neuen. Immer sind es Orte, an denen Besetzungen und Gegenbesetzungen, Erzählungen und Bilder der Zukunft aufeinandertreffen und miteinander in Dialog treten – einen Dialog, den man beobachten, aber auch fortführen kann, denn jeder dieser Orte kann auch selbst wieder weitere Ideen von Zukunft generieren. Als prominentes Beispiel eines solchen Ortes sei Halle-Neustadt genannt, zu dem es kürzlich ein studentisches Projektseminar an der MLU gab und das weiterhin einen der Schwerpunkte des „Imaginationen der Zukunft“-Projekts bildet.

Das Stipendium soll dazu dienen, gemeinsam mit anderen in ARW beteiligten Wissenschaftler*innen solche Zukunftsorte in Halle und Umgebung zu erforschen. Exemplarisch – anhand eines oder zweier solcher Orte –, sollen die komplexen und nicht selten einander widerstreitenden Ansprüche und Ausgriffe auf Zukunft erarbeitet und in einer öffentlichen Veranstaltung, idealerweise vor Ort, präsentiert werden. Dabei sind verschiedene Formate wie Lesungen, Podiumsdiskussionen, Ausstellungen, Führungen etc. denkbar. Mittelfristig geht es auch darum, gemeinsam ein Format zu entwickeln, in dem eine Topographie Hallenser Zukunftsorte dauerhaft präsentiert werden kann (Publikation, Website, Stadtspaziergang etc.). Flankiert wird dieses Vorhaben von Projektseminaren, die von Mitgliedern von ARW durchgeführt werden.

Das Stipendium beträgt 2000,- monatlich sowie evtl. Familienzuschläge. Ein Arbeitsplatz wird zur Verfügung gestellt; Sachmittel zur Durchführung o.g. Veranstaltungen oder Publikationen sind vorhanden. Die Ausschreibung erfolgt vorbehaltlich haushaltsrechtlicher Beschränkungen. Eingeladen zur Bewerbung sind promovierte Wissenschaftler*innen aus den Geistes- und Kulturwissenschaften sowie Architektur und künstlerischer Forschung. Bitte reichen Sie Motivationsschreiben, Lebenslauf, Publikationsverzeichnis sowie ein kurzes Exposé von ca. 3 Seiten ein, das Ihren Zugriff auf das Thema skizziert und die Sie interessierenden Zukunftsorte beschreibt. Bitte schicken Sie Ihre Bewerbung bis zum 18. August an margitta.drosdziok@germanistik.uni-halle.de. Weitere Informationen bei robert.buch@germanistik.uni-halle.de

Förderprogramm

Der Forschungsschwerpunkt Aufklärung – Religion – Wissen ist gemeinsam mit der Stadt Halle ausgewählt worden, um am Förderprogramm Transformationslabor Hochschule, das vom Stifterverband der deutschen Wissenschaft e.V. ausgerichtet wird, teilzunehmen. Im kommenden Jahr wird es in diesem Zusammenhang eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen zum Thema »Zukunft gemeinsam gestalten« geben, darunter ein studentisches Projektseminar »Vergangene Zukünfte Halle/Halle-Neustadt«.