Jenseits des Gerichtshofs: Alternative Imaginationen moderner Öffentlichkeit, 20.–22. November 2025

Jahrestagung des Forschungsschwerpunktes „Aufklärung – Religion – Wissen“ der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Organisiert von Theo Jung und Daniel Weidner
Seit einigen Jahren ist wieder vermehrt von der Krise der Öffentlichkeit die Rede. Filterblasen und Fake News, enthemmte Beschimpfungen und Cancel Culture werden als Symptome eines Zerfalls, einer Auflösung oder Funktionsstörung von Öffentlichkeit diskutiert – freilich auch selbst in der Öffentlichkeit diskutiert, die hier gewissermaßen über sich selbst zu Gericht sitzt. Doch was ist diese Öffentlichkeit eigentlich? Wie stellen wir sie uns vor, wie beschreiben wir sie und welche Folgerungen ziehen wir daraus? Die aktuelle Krisendiagnose bietet Anlass für eine kritische Genealogie, denn das Gefühl der Krise könnte nicht zuletzt auch darauf beruhen, dass bestimmte, langfristig tragende Imaginationen der Öffentlichkeit heute brüchig geworden sind. Ein solcher Moment lädt zu neuen Reflexionen ein über die Frage, was Öffentlichkeit war, ist und sein könnte – und verweist dabei auch auf Spuren, die seit der Konstitutionsphase moderner Öffentlichkeiten gelegt, aber nicht weiterverfolgt wurden.

Mit Beiträgen von Elke Dubbels, Simone Jung, Nils Kumkar, Uta Lohmann, Christian Harun Maye, Patrick Primaviesi, Kirk Wetters u.a.

«Zwangloser Zwang» oder literarische «Vernichtung»? Aufklärung, Öffentlichkeit, Polemik, 10.7.2025

Workshop am IZEA (Halle)
Organisiert von Demian Berger und Daniel Weidner

Bekanntlich situieren sich die Briefe, die neueste Literatur betreffend im Kontext des Siebenjährigen Krieges: Als Briefe an einen verwundeten Offizier vorgestellt, greifen sie selbst gerne zu bellizistischen Metaphern und inszenieren sich als «Streitgespräche» oder literarische «Feldzüge». Die literarische Öffentlichkeit, zu deren Entstehung sie entscheidend beitragen, changiert daher von vornherein zwischen einer angenommenen Allgemeinheit des Publikums – jetzt nicht mehr der gelehrten, sondern der gebildeten Welt – und den scharfen Grenzen und Ausschlüssen, die polemisch gezogen werden. Diese Spannung – gewissermaßen die Spannung von Vernunft und Gewalt – wird oft mit dem polemischen Geist Lessings assoziiert, reicht aber viel weiter. Schon sein Nachfolger Thomas Abbt setzt den kämpferischen Duktus der Literaturbriefe fort. Abbt, Professor für Philosophie und Mathematik, Schüler der Baumgarten-Brüder und Georg Friedrich Meiers, war mit einer patriotischen Kriegsschrift berühmt geworden und arbeitete später an einer allgemeinen Theorie des Publikums – und verkörperte gerade deshalb für Nicolais Organ die Idealbesetzung, auch als Polemiker. Mit den «ganz schlechten Schriftstellern», heißt es in einer von Abbts Rezensionen, werde er sich nicht abgeben, «aber unter den schlechten stehen noch die elenden; und wann einer von diesen (der Himmel gebe, dass es nur einer sey) etwas drucken lässt, und gerade so viele Leser erhält, als ihn bewegen kann, auch noch einen zweyten Theil zum Druck zu befördern; so verdient der Mann bemerkt zu werden, nicht um ihn zu bessern, sondern um seine Leser zu beschämen.“ Der Workshop nimmt die Konstellation der Literaturbriefe und den heute in der Forschung wenig beachteten Abbt im Besonderen zum Ausgangspunkt um nach der Rolle und Funktion der Polemik in der Konstitution aufklärerischer Öffentlichkeit zu fragen.

Programm
14-15:30
Demian Berger (Zürich): Zum Verhältnis von Aufklärung und Polemik. Am Beispiel der Literaturkritik Abbts
Jakob Heller (Halle): „Wenn unsere Weltweisen die Schuletiqutte vergessen“. Zum Verhältnis der Literaturbriefe zur universitären Kritik.

16-17:30
Oliver Grütter (Zürich): Kontroverser Ciceronianismus: Heinze, Abbt und Herder
Na Schädlich (Halle): Übungsgelände der Stilkritik. Wolf, Schopenhauer und Nietzsche über Polemik in der deutschen Spätaufklärung

18:00-19:00
Daniel Weidner: Federkriege, Kritik und Polemik im Rahmen der ‚aufgeklärten Öffentlichkeit‘
Abschlussdiskussion

Zukunftsorte, 24.6.2025

Workshop, organisiert von Christian Drobe
Georg Forster Haus, Emil Abderhalden Str. 7a
Im Rahmen der Seminarreihe „Imaginationen der Zukunft“

 Die ‚Zukunft‘ wie wir sie heute kennen, begann sich als Kategorie seit dem späten 18. Jahrhundert konzeptionell auszudifferenzieren. Kosellecks Diagnose der Kollektivsingulare trifft auch hier zu und ermöglicht eine Untersuchung der verschiedenen geschichtsphilosophischen Konzepte, die seither den Begriff füllen. Diese Vorstellungen sollen im Workshop in Schwerpunkt in Richtung einer Topographie verschoben werden: Auch Zukünfte sollen ortsgebunden und spezifisch gedacht werden.

Die Idee der Zukunftsorte lehnt sich an Pierre Noras Konzept der Erinnerungsorte an und greift auf Überlegungen von Alexander Geppert und Tilman Siebeneicher zurück. Sie bezeichnet zunächst konkrete Orte die sich im Alltag der Menschen manifestierten und der gleichzeitig imaginative Räume eröffneten, in denen Zukunft ausgehandelt wird und wurde. Dabei scheinen sie im Gegensatz zu Erinnerungsorten zunächst eher physisch konkret und nicht metaphorisch zu funktionieren Aber sie legen auch eine sinnliche Begegnung mit der Zeit und der Zukunft nahe. An ihnen kreuzen sich Zukunftsvorstellungen mit technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen, beide materialisieren sich in Räumen und Objekten, und sie haben selbst wieder eine Geschichte und werden zu Orten vergangener Zukunft. Zukunftsorte sind in diesem Sinne Orte des Zukunft-Machens, an denen die Zukunft als Ergebnis zutage tritt und an denen weitere Aushandlungen von Zukunft initiiert werden können.

Programm

14:00 Uhr Begrüßung NN

14:15 Uhr

Stefan Willer: „Aussicht, Übung, Divination. Zukunftskonzepte bei Schleiermacher“

15:00 Uhr

Rüdiger Graf: „Krise, Sicherheit und Risiko. Zur Topologie zentraler Zukunftsbegriffe im 20. und 21. Jahrhundert“

15:45 Uhr: Kaffeepause

16:15 Uhr

Lucian Hölscher: „Präsentische Zukunftsbegriffe der letzten Jahrzehnte“

17:00 Uhr

Abschlussdiskussion & Fragenkatalog

18:30 Uhr: Gemeinsames Abendessen